Ein geliebter Mensch ist an einer Depression erkrankt?
Sich der herausfordernden Realität des Kampfes gegen ein psychisches Problem zu stellen, kann ziemlich entmutigend sein. Psychische Leiden durchdringen alle Lebensbereiche: Sie verändern die Beziehungen am Arbeitsplatz, zu Hause und vor allem – sie verändern die Beziehung eines Menschen zu sich selbst.
Leider ist es meistens eine Veränderung zum Schlechten. Ein schleichendes Gefühl der Wertlosigkeit, des Selbsthasses, ständige negative Dialoge im Kopf, … Die Liste geht immer weiter. So schwer es ist, eine Person zu sein, die von einer psychischen Erkrankung betroffen ist, so herausfordernd ist es auch, mit einer solchen Person umzugehen.
Die am häufigsten berichteten Familienprobleme sind:
- verminderte Aktivitäten im sozialen Leben,
- eheliche Schwierigkeiten,
- Angstzustände,
- Schlaflosigkeit.
Darüber hinaus entdeckte eine Studie aus dem Jahr 2010 eine direkte Korrelation zwischen der familiären Belastung und der Therapietreue von Patient:innen. Auch hat sich gezeigt, dass psychoedukative Interventionen in der Familie ein wirksames Mittel sind, um die Therapietreue zu verbessern.
Wenn jemand in Ihrer Familie an einer Depression leidet, sind Sie mit Sicherheit schon der einen oder anderen Herausforderung begegnet. Dieser Text soll Ihnen helfen, sich in dieser komplexen Angelegenheit zurechtzufinden und wird Strategien vorschlagen, die die Situation Ihres Angehörigen und auch Ihre eigene verbessern können.
Anzeichen und Symptome einer Depression erkennen
Depressionen haben einen großen Einfluss auf die Persönlichkeit. Oft werden die Menschen reizbarer, distanzierter und entwickeln eine insgesamt vermeidende Haltung. Sie können sich feindselig verhalten und bei Familienmitgliedern schnell den Enthusiasmus und die Hoffnung zerstören, hilfreich und fürsorglich zu sein.
Aus psychoanalytischer Sicht wird eine depressive Person als jemand beschrieben, der seine „Kathexis“ (der Prozess der Zuweisung von mentaler oder emotionaler Energie zu einer Person, einem Objekt oder einer Idee) von der Außenwelt in sich selbst „zurückgezogen“ hat. Im realen Leben könnte sich das in Distanzierung und scheinbarem Desinteresse an der Außenwelt äußern. Bildlich gesprochen braucht die Person viel mentale Energie, um mit der Depression fertig zu werden und die normale Interaktion mit Familie und Freunden ist „überfordernd“. Bitte beachten Sie, dass dies keine bewusste Entscheidung, sondern eher einen Notfallbewältigungsmechanismus der Psyche darstellt, um alle Ressourcen zu sammeln und sie nach innen, statt nach außen zu lenken. Menschen würden sich zum Beispiel schrecklich fühlen, wenn sie ihre Ehepartnerin oder ihren Ehepartner ignorieren würden, aber sie haben keine mentale Kapazität, ihre Sorgen zu kommunizieren.
Eine Familie ist ein lebendiges System. Wenn ein Mitglied leidet, leidet das ganze System. Menschen spüren das Leiden ihrer Angehörigen, als wäre es ihr eigenes. Je näher sich Menschen stehen, desto schwieriger ist es manchmal, zwischen den eigenen Gefühlen und denen des Gegenübers zu unterscheiden. Deshalb ist es wichtig, geistig vorbereitet zu sein, wenn Situationen und Emotionen zu Hause eskalieren.
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Suchen Sie professionelle Hilfe
Falls Sie das Gefühl haben, dass Ihre Partnerin bzw. Ihr Partner oder ein Familienmitglied Anzeichen einer Depression zeigt, tun Sie Ihr Bestes, um diese Person zu ermutigen, eine medizinische Fachkraft aufzusuchen. Sowohl Hausärzt:innen als auch Psychotherapeut:innen können eine professionelle Einschätzung der aktuellen Situation geben. Eine Depression ist eine Erkrankung, die wie jede andere körperliche oder psychische Erkrankung rechtzeitig behandelt werden kann und sollte. Wenn dieser Schritt noch nicht erfolgt ist, sollten Sie so schnell wie möglich einen Termin mit einer Ärztin oder einem Arzt vereinbaren, um das weitere Vorgehen zu planen.
Informieren Sie sich über Depressionen
Ein ganz grundsätzlicher Tipp: Natürlich ist es enorm hilfreich, so viel wie möglich über die Krankheit Depression, die Auswirkungen und die Therapiemöglichkeiten zu wissen. Das schafft nicht nur Verständnis für Betroffene, sondern gibt Ihnen auch mehr Wissen und damit realistischere Erwartungen an den Prozess der Bewältigung.
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Bauen Sie eine starke unterstützende Umgebung auf
Die häusliche und familiäre Unterstützung wird eine große Rolle bei der Genesung von der Depression spielen. Jede Anstrengung, die Sie in das häusliche Umfeld stecken, wird wahrscheinlich eine größere Wirkung haben als Sie erwarten. Es stimmt, dass Sie eine:n Betroffene:n nicht „reparieren“ können, aber Sie können auf jeden Fall helfen.
Es wurde festgestellt, dass eine depressive Erkrankung direkt mit dem Ess- und Schlafverhalten sowie dem Aktivitätsniveau verbunden ist. Auf der anderen Seite vermindert sie die Motivation. Oftmals verhalten sich depressive Menschen passiv, apathisch und essen zu viel oder zu wenig. In diesen Dingen kann eine nahestehende Person eine große Hilfe sein.
Versuchen Sie erstens, eine stressfreie Atmosphäre zu schaffen. Sprechen Sie mit der betroffenen Person über ihre Bedürfnisse. Führen Sie vielleicht mehr Routine in das Leben ein: zur gleichen Zeit essen, Medikamente einnehmen, spazieren gehen usw., damit die Person sich mehr unter Kontrolle hat und nicht vom Alltag überwältigt wird. Ermutigen Sie die Person, Pläne für die nahe Zukunft zu machen: nächste Woche ins Kino gehen, zum Abendessen ausgehen usw. Depressive Menschen würden oft fast alle sozialen Situationen und Interaktionen oder überhaupt jede Aktivität vermeiden. Es ist gut, da zu sein, um wenigstens ein Minimum an Aktivität und Zukunftsplanung zu fördern.
Wenn möglich, ermutigen Sie die betroffene Person, sich am Kochen zu beteiligen. Das ist aus zwei Gründen gut. Erstens, der offensichtliche Grund: Gesundes Essen ist extrem wichtig und ein starker Faktor bei der Genesung. Zweitens: Der bloße Prozess des Kochens erfordert ein gutes Maß an Beteiligung. Auch das Planen, Einkaufen, die tägliche Zubereitung des Essens, also das Übernehmen von Kontrolle und Verantwortung, bedeutet auch einen Einsatz für die eigene Gesundheit. Vielleicht wird die Person nicht bereit sein, jeden Tag mitzuhelfen, aber ermutigen Sie sie, sich zu beteiligen.
Wir können das Essen nicht erwähnen, ohne über Bewegung zu sprechen: Seien Sie da, um Spaziergänge, Läufe, Wanderungen, Yoga oder andere Bewegungsformen zu initiieren. Bei mittelschweren depressiven Episoden kann sich Bewegung genauso positiv auf die Genese auswirken wie ein Antidepressivum, während sie bei schweren Depressionen eine starke Begleitbehandlung darstellt.
Was Menschen essen, ist wichtig, aber manchmal wird das, was sie trinken, zum Problem. Achten Sie auf veränderte Alkoholkonsumgewohnheiten: Wenn aus dem üblichen Glas Wein plötzlich eine ganze Flasche geworden ist, sollten Sie einschreiten. Das Gleiche gilt für Drogenkonsum, verschreibungspflichtige Medikamente, usw.
Sorgen Sie für sich selbst
Da Sie selbst das unterstützende System sind, brauchen Familienmitglieder, Kinder, Ehepartner:innen und Freund:innen mentale Stärke und Beweglichkeit. Es ist keine Schande, Zeit für sich selbst zu brauchen, es ist keine Schande, eine Pause oder jemanden zum Reden zu brauchen. Es ist nicht nur nicht beschämend, es ist notwendig. Eine depressive Episode kann sich über Monate hinziehen und ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Jemanden zum Reden zu haben, ist sehr wichtig. Vielleicht ein Freund, eine Fachperson oder eine Selbsthilfegruppe?
Oft verringern Menschen ihre sozialen Interaktionen in Übereinstimmung mit ihrer depressiven Partnerin bzw. ihrem depressiven Partner. Wenn es möglich ist, versuchen Sie, am Leben teilzunehmen, denn das ist wichtig für Ihre eigene psychische Gesundheit. Es kann sein, dass die erkrankte Person nicht in der Lage und nicht gewillt ist, sich mit Menschen zu treffen, ins Kino oder zum Tanzen zu gehen – und das ist völlig normal, weil sie depressiv ist und all diese Aktivitäten einfach zu viel sind. Sie hingegen haben auch eine Verantwortung gegenüber sich selbst. Nehmen Sie sich eine „Auszeit“ vom Betreuerdasein. Ihre Hobbys weiterhin zu genießen, ist kein Verrat. Betrachten Sie es als emotionales Auftanken.
Auf Freund:innen zugehen
Es ist durch die Forschung bestätigt, dass Menschen, die Unterstützung von ihren Familienmitgliedern erhalten, bessere Aussichten auf eine Genesung haben. Eine weitere interessante Tatsache ist, dass die Unterstützung durch den Freundeskreis ein noch stärkerer Prädiktor für eine erfolgreiche Genesung sein kann. Eine Interpretation davon ist, dass die Unterstützung durch die Familie in gewissem Sinne zu erwarten ist – während die Unterstützung von außerhalb der Familie möglicherweise als noch wertvoller empfunden wird.
Natürlich gibt es auch Fälle von Familienkonflikten, schlechter Kommunikation und ungesunder Atmosphäre zu Hause. In diesen Fällen kann die Unterstützung von außerhalb absolut entscheidend für die Genesung sein. Allerdings sind Menschen oft nicht bereit, ihre Probleme mit Freund:innen zu teilen, da sie ihnen nicht zur Last fallen wollen. Sie könnten die an Depression erkrankte Person nach ihrem Verhältnis zu Freund:innen im Verlauf der Depression fragen: Kommunizieren sie noch regelmäßig oder haben sie den Kontakt gemieden? Wenn sie in Kontakt sind, wurden die depressionsbedingten Probleme besprochen? Es kann eine gute Idee sein, die betroffene Person zu ermutigen, einen Freund aufzusuchen und sich diesem anzuvertrauen, oder einfach etwas Zeit mit ihm zu verbringen.
Was Sie NICHT tun sollten
Wenn ein Familienmitglied einer depressiven Person die Einstellung hat, dass diese Person einfach nur traurig oder faul ist, kann die Nähe des Familienmitglieds mehr schaden als nützen. Fragen und Sätze, die man als angehörige Person vermeiden sollte, sind: „Kannst du nicht einfach mal fröhlich sein?“, „Das bildest du dir alles nur ein.“, „Warum bist du so faul?“, „Weißt du, dass es manche Leute viel schlimmer haben als du?“, usw.
Das bringt uns zurück zu Punkt zwei: Lernen Sie etwas über Depressionen und seien Sie einfühlsam. Geben Sie der depressiven Person Raum, um deprimiert zu sein und die eigenen Gefühle auszusprechen. Fragen Sie die Person, wie sie sich fühlt, statt das „Warum“ zu hinterfragen. Fragen Sie, wie Sie helfen können, statt ungefragte Ratschläge zu geben. Fragen Sie nach dem Schlaf, dem Appetit, dem Energielevel. Versuchen Sie, Dinge zu bemerken, die sie vielleicht an sich selbst nicht bemerken können. Zeuge zu sein, wie ein geliebter Mensch leidet, kann sehr herausfordernd und überwältigend sein. Es ist schwierig, die Balance zu halten zwischen Einfühlungsvermögen, dem Wunsch zu helfen und dem gleichzeitigen Gefühl der Hilflosigkeit. Es ist wichtig zu beachten, dass Geduld, eine friedliche Umgebung und emotionale Stabilität Ihre wichtigsten Partner im Kampf gegen die Depression in der Familie sind. Versuchen Sie, mehr über Depressionen zu erfahren und zögern Sie nicht, eine Fachperson zu kontaktieren.
Informationen zur Therapie einer Depression